Der Tod

Der Tod ist groß.
Wir sind die Seinen
Lachenden Munds.
Wenn wir uns mitten im Leben meinen
Wagt er zu weinen
Mitten in uns.

Rainer Maria Rilke

 

Lieber Günter,

August;
bestes Flugwetter!
Eigentlich solltest Du jetzt in Frankreich sein: Im Fellering oder am Treh.
Auf einem Campingplatz sitzen; die Wolken, das Wetter beobachten und bei günstigen Winden mit Deinem Drachen in luftige Höhen verschwinden.
Du solltest in Deinem blauen VW Bus umherstreifen, voll mit Fliegerkameraden (obwoh
l Dir beim Wort Kameraden wohl immer noch die Nackenhaare hochgehen).
Immer auf der Suche nach neuen Orten, die Du vom Drachen aus entdecken kannst.
Das hattest Du Dir vorgenommen für diesen Sommer!

Vor einem Jahr hast Du hier im Cabuwazi mit einigen von uns ein Theaterjubiläum gefeiert.
Du hast fotografiert, gelacht, warst begeistert und hast spitzfindige Bemerkung gemacht.
Keiner von uns hätte damals daran gedacht, dass wir schon so bald zusammenkommen, um von Dir Abschied zu nehmen.
58, dass ist noch kein Alter bei dem man an Abschied denkt.
Für viele von uns ist Dein Tod unbegreiflich. Er ist unfassbar.
Und man hat das Gefühl, dass Du jeden Moment durch die Tür kommen könntest, um uns von Deinem Urlaub und Deinen Flügen zu berichten.
Es gäbe auch schon ein paar weitere Videos und Fotos, die wir hier mit dem Videobeamer an die Leinwand bringen könnten.
Aber wir Alle wissen, dass es nicht so sein wird und wir werden uns erst sehr langsam daran gewöhnen können.

Am 19.07.1948 wurdest Du in Berlin geboren.

Aufgewachsen in der Admiralstrasse und im kurzen Stück der Reichenberger Strasse.
Dein Kiez ist das Kottbusser Tor Kreuzberg 36 „Im Tal der fliegenden Messer“ („Geht einer auf der falschen Strassenseite, ist er dran“)
Kein Baum scheint Dir zu hoch. Kein Haus ist vor Dir sicher.
Wagemutig und sportlich bist Du immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen.
Sei es ein Haus in der Admiralstrasse, das Du erklimmst und von dem Du herunterfällst.
Oder Deine Kreidler-Florett mit der Du (trotz Rahmenbruch) bis nach Frankreich fährst.

Später ist es Deine Leidenschaft für das Tauchen und zuletzt das Drachenfliegen.
Auch hier geht es nicht ohne einen Absturz aus Haushöhe, der vielen von uns das Genick gebrochen hätte.
Aber nicht einem Günter Danisch. Sport und Bewegung bekommen Dich nicht klein.
Wenn Du Dir etwas in den Kopf gesetzt hast, dann wurde es auch gemacht.
Du hast konsequent Deine Ziele verfolgt.
Und an manchen Dingen hattest Du Dich festgebissen und konntest erst aufgegeben wenn es wirklich nicht mehr ging.

Willensstark? Dickköpfig? Wohl beides.
Du bist der Zweite von sechs Geschwistern.
Für Sie bist Du immer der Große, der Starke. Der Sorgende manchmal auch der besorgte Bruder.
Aber dann auch wieder derjenige der die Kleinen pisackt, ärgert und immer den Schalk im Nacken trägt.
Auf Dich ist verlass.
Gibt es ein Problem..! Mit dem Computer; versagt die Elektrik in der Wohnung, möchte irgendeine Maschine nicht so arbeiten wie sie soll oder wurde Dein Einsatz und Dein Bus benötigt dann warst Du zur Stelle.
Ein Familienmensch. Aber immer etwas auf Distanz.
Familienfeiern oder kleinere Treffen... das war nicht Dein Ding.
Ja nicht zu nah, aber dennoch immer ansprechbar.
Immer informiert. „Ich mach das schon. Ich krieg das Ganze schon hin“
Selbst Hilfe in Anspruch nehmen. Das fiel Dir schwerer.
Für alle bist Du der Starke, der „das Alles schon hinbekommt.

Selbst in den letzten Wochen, verbreitetest Du Zuversicht, gibst jedem etwas mit auf seinem Weg.
Du behältst Deinen Humor und machst Deine Scherze.
Hast wie immer den Schalk im Nacken.
Kein Jammern, kein Klagen.
Schmerzen, ja die sind da, das ist eben so, da kann man nichts machen.
Du bleibst selbst hier noch Stark und möchtest es uns mit Deinem Tod so einfach wie möglich machen.

In den letzten 16 Jahren durfte ich an Deinem und Dannys Leben teilhaben.
Ich habe Eure kleine Familie (Vater und Sohn) kennen und lieben gelernt.
Ich durfte Euch durch jahrelanges diskutieren und monatelanges Schweigen begleiten.
Ich durfte miterleben wie ihr beide miteinander umgeht.
Wie ihr trotz mancher Meinungsverschiedenheiten immer respektvoll und ehrlich miteinander ward.
Vollkommen selbstverständlich hast Du Deine Wohnung für alle Freunde von Danny geöffnet.
Bergmannstrasse 100; Treffpunkt nächtelanger Photoentwicklung und Plakatgestaltung, Anlaufstelle für alle technischen Fragen, Ort hitziger Diskussionen über alle gesellschaftlichen und politischen Themen und immer mal wieder Refugium für Freunde, die Zuhause weg müssen und übergangsweise eine Bleibe benötigen.
Du hast Dein Haus für Alle geöffnet. Alle hast Du willkommen geheißen und viele sind Deine Freunde geworden.

Das ist nicht selbstverständlich.

Es gibt viele Menschen, die über soviel Offenheit nur den Kopf schütteln.
Für Dich aber war es ein Lebensmotto!
Ich glaube, dass Du für viele Freunde von Danny genau der Elternteil warst, den Sie Zuhause vermisst haben oder den es in Ihrer Familie nicht gab.
Gab es in der eigenen Familie Streit, Unverstand, Unruhe, Abwertung oder Ignoranz, dann fand man bei Dir Respekt, Ruhe, Verbindlichkeit, Nachfragen, Auseinandersetzungen ohne Verletzungen und Abwertung.
Während die eigenen Eltern aus Angst, Scham oder Unverständnis an dem Leben ihrer Kinder nicht mehr teilnehmen wollten, hast Du Dich für Sie interessiert.
Du hast ihre Bedürfnisse, Nöte, Lebenswege und Gedankenwelten kritisch hinterfragt, sie in ihrem Weg bestätigt oder sich mit ihnen darüber auseinandergesetzt.
Sollten diese Jungen Menschen all zu abwegige und „verschrobene“ Meinungen und Ideen vertreten habe, so hast Du sie Dir respektvoll angehört, Deine Meinung dazu konsequent vertreten und Dich in heiße Diskussionen mit ihnen gestürzt.
Dieser Umgang ist leider nicht in jedem Elternhaus vertreten.
Aber glücklicherweise konnte man zu Dir kommen und bei Dir alles lernen und erfahren, was Zuhause nicht ging.

Wir alle werden Dich schmerzlich vermissen.

Salut Güni